Baranowski und Kollegen Siegen

Eigenbedarfskündigung

Wann kann der Mietvertrag wegen Eigenbedarfs gekündigt werden? Wann muss der Mieter eine solche Kündigung akzeptieren?

Eigenbedarfskündigung

Wann kann der Mietvertrag wegen Eigenbedarfs gekündigt werden?

Wann muss der Mieter eine solche Kündigung akzeptieren?

Eigenbedarfskündigung

Eine Kündigung wegen Eigenbedarf ist der bekannteste und häufigste Grund für eine Kündigung durch den Vermieter. Für Mietverhältnisse über Wohnraum ist die Kündigung wegen Eigenbedarfes in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB geregelt. Der Vermieter kann ein Mietverhältnis nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung hat. Ein berechtigtes Interesse des Vermieters liegt insbesondere dann vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörige oder Angehörige des Haushalts benötigt.

Begünstigter Personenkreis bei Eigenbedarfskündigung

Außer für sich selbst, kann der Vermieter auch Eigenbedarf für seine Angehörigen geltend machen. Zu den Angehörigen gehören die Kinder und Enkelkinder des Vermieters,  seine Eltern, Geschwister und Großeltern, ebenso Schwiegerkinder und Schwiegereltern. Auch Nichten und Neffen des Vermieters können einen Eigenbedarfsanspruch begründen. Entferntere Verwandte müssen dem Vermieter jedoch persönlich nahe stehen, um zu dem begünstigten Personenkreis zu gehören.

Nutzungswille bei Eigenbedarfskündigung

Voraussetzung einer wirksamen Kündigung ist ein ernsthafter Nutzungswille des Vermieters. Soll die Wohnung einem Angehörigen überlassen werden, so ist nicht der Nutzungswille des Angehörigen, sondern der Überlassungswille des Vermieters maßgebend. Bei einem fehlenden Nutzungswillen des Angehörigen fehlt es aber ebenfalls am Tatbestand des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, weil der Vermieter die Räume auch in diesem Fall nicht benötigt.

Beweislast Eigenbedarfskündigung

Der Vermieter muss in dem Kündigungsschreiben dem Mieter die Gründe für den Eigenbedarf mitteilen und im Prozess darlegen. Sollte der Mieter den Nutzungswillen bestreiten, so trägt der Vermieter die Beweislast für das Vorliegen seines Nutzungswillens. Bietet der Vermieter keinen Beweis an, so ist die Klage abzuweisen. Der Mieter muss in der Regel keine konkreten Tatsachen benennen aus denen sich ergibt, dass der Vermieter die Räume nicht nutzen will. Es genügt vielmehr, wenn er sich diesbezüglich auf bloßes Bestreiten beschränkt, denn beweispflichtig ist der Vermieter. Darüber hinaus hat das Gericht aber auch den Tatsachen nachzugehen, die vom Mieter vorgetragen werden, wenn hieraus Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Nutzungsabsicht ergeben.

Vorgetäuschter Eigenbedarf

Eine Ernsthaftigkeit bezüglich des Nutzung- /Überlassungswillen liegt nicht vor, wenn der Vermieter lediglich behauptet, er wolle die Wohnung für sich selbst nutzen oder einem Angehörigen überlassen, aber in Wirklichkeit andere Absichten verfolgt. Indizien für einen vorgetäuschten Eigenbedarf sind:

  • der Angehörige weiß gar nicht, dass er die Wohnung bekommen soll
  • der Angehörige kennt die Wohnung gar nicht
  • der Erwerber einer Wohnung versucht zunächst den Mieter zum Abschluss eines neuen Mietvertrags zu bewegen und spricht nach dem Scheitern dieses Versuchs eine Eigenbedarfskündigung aus
  • nach einem Eigentümerwechsel bricht über die Mieter des Hauses eine Flut von Mieterhöhungs- und/oder Räumungsklagen herein
  • einer Kündigung sind ein erfolgloser Mieterhöhungsversuch oder andere Streitigkeiten vorausgegangen
  • der Vermieter spricht in kürzerer Zeit mehrere Kündigungen aus und begründet diese mit unterschiedlichen Verwendungsabsichten
  • der Vermieter hart bereits in früherer Zeit einen Nutzungs-/ Überlassungswillen vorgetäuscht
  • aus dem Prozessvortrag oder den Äußerungen des Vermieters im Prozess ergibt sich, dass dieser in erster Linie einen unliebsamen Mieter loswerden will.

In solchen Fällen ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass der Vermieter gleichwohl einen ernsthaften Nutzungs-/ Überlassungswillen hat, jedoch sind in Fällen dieser Art besonders strenge Anforderungen an die Überzeugungsbildung zu stellen.

An einer Ernsthaftigkeit des Nutzungs-/Überlassungswillen fehlt es weiterhin, wenn sich der Vermieter noch gar nicht sicher ist, ob er den Nutzungs-/ Überlassungswillen realisieren kann. In einem solchen Fall ist die Kündigung unwirksam und vertragswidrig. Der Vermieter hat vor einer Kündigung zu klären, ob seine Angehörigen umzugsbereit sind. Der Schadensersatzanspruch setzt in einem solchen Fall voraus, dass die Unsicherheit bezüglich der beabsichtigten Nutzung der Wohnung auf Fahrlässigkeit beruht.

Ebenso unzulässig sind sogenannte Vorratskündigungen, denn die Absicht zur Selbstnutzung oder Überlassung muss in einem zeitlich engen Zusammenhang stehen. Es ist zwar nicht notwendig, dass die Eigennutzung/Überlassung zeitlich unmittelbar an das Ende des Mietverhältnisses anschließt, jedoch darf der Vermieter auch nicht kündigen, wenn er die Wohnung erst in einigen Jahren beziehen oder überlassen will. Eine Grenze für den Zeitraum zwischen Kündigung und Bezug/ Überlassung gibt es nicht. Eine Vorratskündigung ist nicht gegeben, wenn der Vermieter vor dem Bezug der Wohnung Sanierungs-, Umbau- oder Renovierungsarbeiten durchführt.

Der Nutzungs-/Überlassungswille des Vermieters muss eindeutig sein. Das heißt, er muss sich auf eine bestimmte Verwendungsart und eine bestimmte Wohnung beziehen. An der Eindeutigkeit fehlt es auch dann, wenn der Vermieter mehrere Mietverhältnisse kündigt, obwohl er nur eine einzige Wohnung benötigt. Der Vermieter muss zudem beim Ausspruch der Kündigung bereits festgelegt haben, wem er die Wohnung überlassen will. Alternativkündigungen sind somit unwirksam.

Ebenso unwirksam, sind die Fälle, in denen die Absicht des Vermieters aus rechtlichen Gründen nicht verwirklicht werden kann. Dazu zählen unter anderem folgende Fälle:

  • Wenn der Vermieter eine öffentlich geförderte Wohnung selbst nutzen möchte, benötigt er hierzu die Genehmigung der zuständigen Stelle. Diese Genehmigung muss zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht erteilt worden sein. Es genügt eine Bescheinigung der Behörde, dass eine solche Genehmigung auf Grund der geltenden Bestimmungen ausgesprochen werde. Ist diese Bescheinigung jedoch nicht erteilt worden, so ist die Kündigung unwirksam.
  • Ebenso scheidet eine Eigenbedarfskündigung aus, wenn die Räume nach den Bestimmungen des Bauordnungsrechts nicht zu Wohnzwecken benutzt werden.
  • Wurde die Wohnung seinerseits von dem Vermieter nur angemietet, so setzt eine Kündigung des Mietverhältnisses wegen beabsichtigter Eigennutzung voraus, dass der Vermieter die Räume auf Grund seiner rechtlichen Beziehungen zum Eigentümer in der beabsichtigten Art und Weise nutzen darf.
  • Veräußert der Vermieter das Eigentum nach einer Eigenbedarfskündigung und überträgt er dem Erwerber die wirtschaftliche Nutzung, so darf er die Rechte aus der Kündigung mangels eines Rechts zur Eigennutzung nicht mehr weiter verfolgen, es sei denn, der der Erwerber mit der Nutzung durch den Veräußerer einverstanden ist. Hat der Vermieter zugunsten eines Angehörigen gekündigt, und wird diese Wohnung anschließend an den Angehörigen veräußert, so bleibt die Kündigung wirksam, da ein Nutzungswille und ein Nutzungsinteresse weiterhin fortbestehen.

Wegfall Nutzungswillen bei Eigenbedarfskündigung

Fällt der Nutzungs-/ Überlassungswille nach Ausspruch der Kündigung weg, lässt das die Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Es ist allerdings rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter den aus der Vertragsbeendigung folgenden Räumungsanspruch weiterverfolgt. Der Vermieter ist unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verpflichtet, dem Mieter einen Vertrag über die Aufhebung der Kündigung anzubieten. Dieses Angebot kann von dem Vermieter stillschweigend, also durch Fortsetzung des Mietverhältnisses angenommen werden. Das Mietverhältnis ist in dem Fall als ungekündigtes Mietverhältnis zu behandeln. Lehnt der Mieter jedoch eine Annahme eines solchen Vertragsangebotes ab, da er zu einer Annahme nicht verpflichtet ist, so bleibt das Mietverhältnis beendet. Auch das kann wiederum stillschweigend durch den Auszug des Mieters geschehen.

Streitig ist, bis zu welchem Zeitpunkt der Wegfall des Nutzungs- oder Überlassungswillens zu berücksichtigen ist. Nach der herrschenden Meinung kommt es auf den Ablauf der Kündigungsfrist an. Somit spielt eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse nach diesem Zeitpunkt keine Rolle mehr. Nach einer anderen Ansicht ist der Wegfall des Eigenbedarfs bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung über den Räumungsanspruch zu berücksichtigen. Nach einer weiteren Ansicht kommt es auf den Zeitpunkt an, an dem eine gerichtlich gewährte Räumungsfrist abläuft.

Der Vermieter kann seinen Räumungsanspruch auch dann nicht einfach weiterverfolgen, wenn nach dem Wegfall des Nutzungs-/ Überlassungswillens ein erneuter Nutzungs-/ Überlassungswille gefasst wird. In einem solchen Fall muss der Vermieter eine erneute Kündigung aussprechen.

Vertragswidrige Eigenbedarfskündigung

Kündigt der Vermieter mit einem vorgetäuschten Eigenbedarf, so ist das als vorsätzliche Pflichtverletzung zu bewerten. Gleiches gilt, wenn der Nutzungs-/Überlassungswille zu einem späteren Zeitpunkt wegfällt und der Vermieter dennoch seinen Räumungsanspruch weiterhin verfolgt. Ein weiterer Fall der Pflichtverletzung ist gegeben, wenn der Vermieter nach dem Freiwerden einer Alternativwohnung seine Anbietpflicht verletzt. Eine fahrlässige Pflichtverletzung liegt vor, wenn der Vermieter mit der Absicht kündigt, die Wohnung selbst zu nutzen oder diese einem Angehörigen zu überlassen, obwohl nicht sicher feststeht, dass die Nutzungsabsicht realisiert werden kann.

Auswahlrecht des Vermieters

Hat der Vermieter einen ernsthaften Nutzungs-/Überlassungswillen und liegt außerdem ein Nutzungsinteresse vor, so kann er die von ihm gewünschte Wohnung grundsätzlich nach Belieben auswählen. Der Vermieter ist nicht verpflichtet, demjenigen Mieter zu kündigen, der von der Vertragsbeendigung am wenigsten getroffen wird.

Alternativwohnung bei Eigenbedarfskündigung

Ein Kündigungsverbot besteht, wenn dem Vermieter eine andere freistehende Wohnung zur Verfügung steht, durch die sein Bedarf gleichermaßen gedeckt werden kann. Das Gleiche gilt auch für Wohnungen die in naher Zukunft frei werden. Wird nach dem Ausspruch der Kündigung eine zur Bedarfsdeckung geeignete Alternativwohnung frei, so darf der Vermieter die Rechte aus der Kündigung nicht weiter verfolgen.

Nach Ansicht des BGH besteht die Anbietpflicht nur, wenn sich die freiwerdende Wohnung im selben Haus oder in der selben Wohnanlage befindet. Die Anbietpflicht diene nicht dem Ziel, dem Mieter die Suche nach einer Ersatzwohnung abzunehmen. Vielmehr soll der Mieter die Möglichkeit erhalten, eine Wohnung in seiner vertrauten häuslichen Umgebung zu beziehen. Diese Pflicht besteht auch nur, wenn die Wohnung im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs freisteht. Gleiches gilt, wenn sie nach dem Ausspruch der Kündigung frei wird. Die Anbietpflicht besteht nach Ansicht der Rechtsprechung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.

Kündigungsfrist Eigenbedarfskündigung

Auch bei der Eigenbedarfskündigung sind die gesetzlichen Kündigungsfristen zu beachten. Die Kündigung ist spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. Das bedeutet: Geht das Kündigungsschreiben dem Mieter am 1. Februar zu, endet das Mietverhältnis Ende April. Allerdings verlängert sich diese Frist – und zwar je nach bisheriger Dauer des Mietverhältnisses. Besteht dieses länger als fünf Jahre, beträgt die Frist sechs Monate, besteht es länger als acht Jahre, sind es sogar neun Monate (§ 573 c BGB).

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